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Kulturfabrik Kofmehl

Solothurn


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Wenn sich der Kritiker, Anfang vierzig, schon beim Durchblättern des Programms auf der Website zu fühlen beginnt wie Schneewittchen im Wald: zwar verzaubert, aber ebenso ahnungs- wie orientierungslos, so dürfen sich dies die MacherInnen des Kofmehl durchaus als Leistungsausweis jener Subkultur anrechnen, die die Jugendkultur auch und vor allem sein will. „s’Koofmäu“ (mit dem sächlichen Artikel, der – wie etwa „das Konsum“ – dörfliches Beheimatetsein anklingen lässt) repräsentiert als Institution ein kohärentes System sozialer und kultureller Codes, das auf den ersten Blick mit zeitgenössischer Architektur wenige Berührungspunkte hat. Das bauliche Synonym der Jugendkultur sind unbestritten jene in den 1980er Jahren zornig besetzten leer stehenden Kasernen, Reit- und Fabrikhallen, wo knallige Elektrogitarren, Schlagzeuge, Lautsprechertürme vor schwarz getünchten Bühnenwänden rotzig zum Klingen gebracht wurden. Allerdings war der Bezug dieser Bewegung zur Architektur wahrscheinlich stärker durch die Kulturkritik der Hausbesetzerszene, die Faszination am Chic des Verfallenen, den Zeitgeist im Allgemeinen geprägt als durch ein Interesse am architektonischen Gehalt der Bauten.
Vor diesem Hintergrund wird spürbar, vor welche Probleme der erzwungene Exodus des Jugendzentrums und Konzertveranstalters aus der ehemaligen Eisenwarenfabrik von Otto Kofmehl die Architekten gestellt hat: Wie die Essenz, den Wesenskern eines vom Publikum als Gegenentwurf und Heimat geliebten, charismatischen Unorts transferieren? Der seltene Familienname des Solothurner Industriellen, der allein von den Ansagen im Radio her landesweite Bekanntheit hat, mag als Markenzeichen gewichtig sein. Aus dem Businessplan wird jedoch klar, dass die Betreiber nicht auf diese Karte allein gesetzt haben, sondern explizit wünschten, „eine ähnliche Atmosphäre an einem anderen Standort zu kreieren“. Damit ist die Aufgabe benannt, mit der sich der Neubau in einer Gewerbezone an der Peripherie der Kleinstadt exemplarisch befasst.
Doch widmen wir uns zuerst dem Raumprogramm und der Struktur, die interessanter Weise viel grösseren, etablierten Musikhäusern wie Rem Koolhaas’ Casa de Musica in Porto oder dem erwähnten KKL gleichen, obwohl das Gebäude gewissermassen gegenteilig funktioniert: Den Kern bildet ein Konzertsaal, der als Kiste in eine grössere Kiste gestellt und von dieser strukturell und somit akustisch getrennt ist – eine Konfiguration, die in unserem Fall nicht wie üblich von aussen nach innen, sondern von innen nach aussen optimalen Schallschutz bietet. Das über separate Eingänge erschlossene Foyer, Sanitärräume und eine Hinterbühne sind dem Konzertsaal als Pufferschicht ringsum angegliedert. Für kleinere Auftritte besitzt auch die vorgelagerte „Raumbar“ eine Bühne. Im oberen Geschoss kommen ein grosser Jugendraum, die Backstage, Büros usw. hinzu, der Restraum im Dach nimmt Haustechnik und Lüftung auf.
All dies ist in einen mit Stahlblechen bekleideten Quader gepackt, dessen vier Seiten mit wenigen Elementen individuell ausgestaltet sind. Der Strasse zugewandt die Hauptfront, ausgezeichnet durch Eyecatcher wie die Beschriftung und das Faltschiebetor, das sich scheinbar schwerelos aus dem stählernen Ganzen löst. Der zeitgenössischen Architektur erweist der Bau mit einem grossen Kastenfenster Referenz, das sich gut ins Gleichgewicht der Komposition einfügt. An der Nordostfassade bietet ein Kragdach den Wartenden Schutz, bevor sie durch die mit Lochblechen „verschleierten“ Portale ins Foyer treten. Zwei seriell angeordnete Fluchttreppen geben der gegenüber liegenden Fassade ein eigenes, starkes Gepräge. Praktisch alle Fassadenelemente, von den Trägern und der Untersicht des Vordaches bis hin zu den Fluchttreppen und ihren Handläufen, sind mit Stahl materialisiert – der einzige wirklich radikale Aspekt des Gebäudes, der freilich entscheidend zum guten Resultat beiträgt.

Textauszug aus: werk bauen+wohnen 12/2006, Christoph Schläppi

AUFTRAGSART direkt
JAHR 2004 - 2005
BAUHERRSCHAFT Stiftung zur Förderung der Jugendkultur im Kanton Solothurn
BAUKOSTEN CHF 2.8 Mio.


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